"Ziemlich gute Gründe, am Leben zu bleiben" und dieses Buch zu lesen

Cherry

Es war gar nicht so einfach, ein geeignetes Zitat für den Header dieses Posts zu finden, denn Matt Haigs neues Buch steckt voller kluger und ehrlicher Sätze, die man am liebsten in die Welt hinaus schreien würde. Sehr glaubwürdig schildert er darin, wie er mitte zwanzig an einer Depression erkrankte und gleichzeitig an starken Angststörungen litt, die es ihm teilweise unmöglich machten, vor die Tür zu gehen. Sein Leben veränderte sich mit einem Schlag, aber das beinahe Schlimmste war, dass keiner sehen konnte, was für schreckliche Dinge in ihm vorgingen, denn - und das sagt er in seinem Buch immer wieder - Depression ist eine unsichtbare Krankheit und genau das macht sie so gefährlich. 

Wie man sich nun sicherlich denken kann, ist Ziemlich gute Gründe, am Leben zu bleiben ein sehr persönliches Buch, was zwar hin und wieder auch Kapitel voller Fakten präsentiert, aber zum Großteil aus Haigs Erfahrungen mit dieser tückischen Krankheit besteht. Es ist somit auch ganz klar ein Buch, was Mut machen und die Botschaft übermitteln soll, dass man, selbst wenn man glaubt, der einzige Mensch auf der großen weiten Welt zu sein, der jemals solch ein Tief erlebt hat, nicht alleine ist. Dieses Vorhaben gelingt dem Autor ziemlich gut, was auch daran liegt, dass er zwischendurch auf andere berühmte Fälle von Depressionen eingeht, seine eigenen Leser zu Wort kommen lässt und eigene (meist sehr gesellschaftskritische) Interpretationen der Krankheit mitteilt. Man spürt mit jeder Seite, dass dieser Mann Ahnung hat, dass er weiß, wovon er spricht und er eben kein Arzt ist, der diese Erkrankung (nur) untersucht, sondern ein Schriftsteller, der schreiben muss, um damit fertig zu werden.

Und trotz all der positiven Nebenffekte hatte diese Intimität auch etwas Negatives an sich. Depressionen unterscheiden sich von Mensch zu Mensch, das sagt auch Haig, und so muss auch jeder für sich seinen Ausweg aus dieser Krankheit finden. Wenn man jedoch Herr Haigs Umfeld betrachtet, bestehend aus einer verständnisvollen Frau, die ihn bedingungslos liebt; Eltern die ihn unterstützen; eine Schwester, die für ihn da ist, dann fragt man sich doch, was all jene Menschen tun sollen, die solch eine Hilfe nicht haben, insbesondere wenn man bedenkt, dass Haigs Antwort auf alles "Liebe" zu sein scheint. Ich weiß, dass dieses Buch kein Ratgeber ist, aber ich finde, dass es manchmal auch das Potential eines Mutmachers verliert, indem es ungemütliche Fragen (ja, noch ungemütlichere Dinge, als die Krankheit selbst) verschweigt und die depressiven Menschen ausschließt, die nicht so viel "Glück" haben wie der Autor.


Um es kurz zu sagen...

+
Matt Haig spricht sehr ehrlich und persönlich über (s)eine Krankheit, die glücklicherweise nicht mehr totgeschwiegen wird. Er schafft es, mit Witz und seiner poetischen Sprache, dem Leser die Thematik näher zu bringen und kitzelt hoffentlich bei dem ein oder anderen auch endlich Verständnis für depressive Menschen heraus.
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Einige Stellen im Buch könnten auf Betroffene vielleicht sogar entmutigend und nicht hilfreich wirken, weil Haig das Glück eines verständnisvollen Umfelds hat, was leider nicht jeder von sich behaupten kann.

8 Kommentare:

  1. Hallo Cherry,
    deine wundervolle Rezension hat mich so sehr angesprochen, dass ich dieses Buch - obwohl ich die Thematik für mich als Lesestoff so gar nicht auf dem Schirm hatte - mir gleich mal vermerken musste. Dies scheint sehr gut zu meinem Vorhaben, mindestens ein Buch im Monat zu lesen, auf das ich allein nicht gekommen wäre, zu passen.
    Danke dafür.
    Liebste Grüße,
    Hibi

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    1. Toll, dass ich für Inspiration sorgen konnte :D
      Ist auch ein wirklich starkes Buch - egal ob nun für Betroffene oder Interessierte - und liest sich sehr schnell durch.

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  2. Hey du,
    freue mich gerade, dass ich das Buch auf dem SuB habe!
    Liebe Grüße, Petra
    www.papierundtintenwelten.blogspot.de

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  3. Huhu! :)

    Wirklich eine wundervolle Rezension!
    'Ich und die Menschen' von Matt Haig ist eines meiner Lieblingsbücher und wurde von mir jetzt auch schon mehr mehrmals gelesen. Deshalb bin ich auf sein neues Werk auch schon sehr gespannt und werde es mir so bald wie möglich kaufen. (:

    Alles Liebe,
    Jasi ♥

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    1. "Ich und die Menschen" habe ich damals auch sehr gemocht und nach seinem neuen Buch sehe ich den Roman auch mit ganz anderen Augen. Ich wünsche dir viel Spaß damit, hoffentlich liest du es bald :)

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  4. Ich hab das Buch schon öfter in den Auslagen gesehen, der Titel weckt vor allem ja Interesse und jetzt weiß ich mal, worum es darin geht.
    Deine Kritik finde ich sehr spannend, weil du völlig Recht hast, dass ein stabiles Umfeld enorm viel ausmacht oder ein Fehlen davon umso mehr.
    Ich will das Buch nach deiner Rezi auf jeden Fall lesen, vor allem, weil es bei mir in der Schule in den letzten paar Jahren einige gute Freunde oder Bekannte gab, die leicht depressiv waren und mich das Thema deshalb sehr viel mehr interessiert als vorher.
    Liebe Grüße,
    Leyla

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    1. Ich wünsche dir viel Spaß beim Lesen und Entdecken dieser schwierigen Thematik. Wenn man sich bereits vorher dafür interessiert, wird es natürlich umso spannender, durch die Erfahrungen eines Depressionspatienten zu blättern. :)

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