Ein langer "Schnell"durchlauf: Nur ein Tag | Wir kommen | Weit über das Land

Cherry
Argon Hörbuch / 9783839814703 / gekürzt: 07:54:00 / gelesen von Jodie Ahlborn
Nur ein Tag von Gayle Forman ist schon seit einiger Zeit in aller Munde und wird dort mithilfe von Blogtouren, der unbändigen Werbetrommel des Verlags und vielen Besprechungen kräftig durchgekaut. Und ja, dieses Buch lässt auch mich einerseits ganz glücklich zurück, haben wir es doch anfangs noch mit einer sehr verwöhnten amerikanischen jungen Frau zu tun, die sich im Laufe des Buches erst zu etwas Reiferem entwickelt, immer hin- und hergerissen zwischen der Erwarungshaltung ihres Umfelds und den eigenen Wünschen. Es geht hier nicht nur um das Kennenlernen anderer Kulturen und leidenschaftlicher Liebe, sondern vielmehr um das Finden eines erfüllten Selbst, die Loslösung von der herrischen Mutter und das Erlangen von Eigenständigkeit. Soweit so gut. 

Die Thematik ist toll, keine Frage, und auch ich hatte hin und wieder das Gefühl, meine Koffer packen und losreisen zu müssen, dennoch gab es ebenso Kapitel, die ich etwas ungeschickt fand. So war die Darstellung ihrer Mutter so grässlich klischeehaft (der absolute "Ich habe meine Karriere für dich aufgegeben, also wirst du jetzt gefälligst Ärztin"-Stereotyp), dass man nur genervt sein konnte und auch sonst gelang es mir oftmals nicht, mich mit Allyson zu identifizieren, schlicht und ergreifend weil sie Amerikanerin war und aus (für uns) alltäglichen Dingen ein großes Theater machte. Dafür passte Frau Ahlborns Stimme jedoch ausgesprochen gut, stets etwas Lächelndes im Ton und immer bemüht, die Gefühle möglichst genau wiederzugeben. 

Willems Geschichte interessiert mich dagegen absolut nicht, was einerseits daran liegt, dass ich mir die Hälfte seiner "schrecklichen Vergangenheit" schon denken kann, andererseits, weil Frau Forman mir mit ihrem zweiten Teil zu Wenn ich bleibe bereits gezeigt hat, dass sie Männer ziemlich stark verweichlicht und mir das wahrscheinlich sogar den ersten Teil etwas verderben würde.



aufbau audio / 9783945733189 / ungekürzt: 03:48:00 / gelesen von Ronja Rönne
Ich habe schon einige Bücher mit einem depressiven Unterton gelesen, aber Wir kommen ist wahrscheinlich der hoffnungsloseste Roman, der bisher seinen Weg in meine Ohren gefunden hat. Unterstrichen wird diese Grundstimmung von der Stimme der Autorin, die mir mit einem gewollt rotzigen Ton und ihrem makaberen Humor einerseits sehr gut gefallen hat, andererseits aber auch nicht. Ihr Buch fällt bei mir unter die gleiche Kategorie, wie es vor kurzem auch "Nacktschnecken" von Rebecca Martin geschafft hat: an vielen Stellen fängt es sehr gekonnt eine Generation ein, die mit ihrem Leben nicht wirklich etwas anzufangen weiß, überfordert ist mit gesellschaftlichen Zwängen und eigenen Erwartungen und mich damit direkt ins Herz trifft; an vielen anderen Stellen jedoch, war ich einfach nur enttäuscht und genervt von den Strategien, die die Protagonistin anwendet, um sich selbst zu betäuben (ja, auch Drogen, aber das meine ich gerade nicht), obwohl sie weiß, dass die Fassade langsam (oder doch ziemlich schnell) bröckelt. 

Schlussendlich klingt die Viererbeziehung auf dem Klappentext noch wie etwas Originelles, entwickelt sich dann während des Lesens aber zu einer ganz "normalen" Beziehung, deren Ende schon lange geschrieben wurde. Vier leidenschaftslose Menschen, die sich hilflos aneinander klammern, um nicht allein zu sein, und wahrscheinlich wollte uns die Autorin auch genau das vor Augen führen: wenn du mit dir nicht im Reinen bist, ist es egal mit wem du das Bett teilst, denn am Ende bleibst du unzufrieden. Ganz einfach. Dieses Drama mit der Toten, welches drumherum gesponnen wurde, fand ich fast schon lächerlich, weil es zwar ein ernsthaftes Thema behandeln sollte, dafür aber viel zu kurz kam. Es wirkte am Ende nur wie ein gewollter "Wow"-Effekt, der nicht einsetzen konnte, weil er nicht "Wow" war.




Mit Peter Stamms Erzählungen konnte ich zwar nicht allzu viel anfangen, sein Roman Weit über das Land hat mich jedoch etwas länger beschäftigt. Ein ganz gewöhnliches Ehepaar, festgefahren in ihrem Alltag, mit zwei Kindern, mit Nachbarn, einem Haus, einem Garten und einem Tor. Da beschließt der Mann zu gehen, alles liegen zu lassen, seinem Heim den Rücken zu kehren und in die Wälder zu ziehen, ohne jemandem etwas zu sagen. Abwechselnd erlebt der Leser die Geschichte dabei aus den Augen des Mannes und der Frau, deren Wege sich plötzlich trennen, obwohl sie so lange gemeinsam beschritten wurden. 

Dieser kleine Roman erzählt vom Ausbrechen aus der Normalität, aber eben auch vom Zusammensein, obwohl man weit entfernt voneinander ist. Denn - und so fühlt sich der Grundgedanke des Buches für mich an - manchmal braucht man die Distanz, um zu erkennen, wie wichtig man einander ist, trotz eines strukturierten Alltags, trotz der Festgefahrenheit. Eine Besonderheit an diesem Buch ist, dass man die Geschichte und ihren Verlauf dabei verschieden deuten und interpretieren kann, sodass nicht klar ist, wie sie endet. Ich mag soetwas, und auch wenn man sich mit mitte zwanzig weder mit der fleißigen Hausfrau, noch mit dem Ausreißer identifizieren kann, so hat mich der Roman dennoch berührt und hallte einige Zeit nach.

14 Kommentare:

  1. Hallo Cherry ;-)
    Dein Schnelldurchlauf gefällt mir sehr, vor allem, weil du die Dinge auf den Punkt bringst.
    "Nur ein Tag" ist ein Buch, an dem ich, so muss ich zugeben, vorbeigegangen bin, obwohl es, wie schon von dir angesprochen (oder vielleicht auch deshalb), überall zu finden ist.
    Was die verweichlichten Jungs/Männer betrifft, frage ich mich immer, ob es daran liegt, dass Mädchen/Frauen sich danach sehnen bzw. dass angenommen wird, dass sie sich danach sehen ?
    Verlieben wir uns gern in den BadBoy und hoffen darauf Prince Charming in ihm zu finden ? Oder ist es eine Art Bestätigung, dass man in der Lage ist, etwas so zu verändern, was vorher niemand geschafft hat ?
    Mit deinen Zeilen zu "Weit über das Land" hast du mich neugierig gemacht, denn bis eben kannte ich das Buch so gar nicht, dafür aber den festgefahrenen Alltag, der das Gefühl vermittelt, funktionieren zu müssen. Somit wird das Buch gleich vermerkt, damit ich herausfinden kann, wie das Buch auf mich wirkt. ;-) Danke dafür.
    Ich wünsche dir eine angenehme Woche <3
    Liebste Grüße,
    Hibi

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    1. Ich glaube nicht, dass du es bereuen wirst, dass du "Nur ein Tag" nicht gelesen hast. Es war ganz schön, aber sicherlich kein Highlight und ich hätte wahrscheinlich auch nicht dazu gegriffen, wäre es kein gut gesprochenes Hörbuch gewesen.

      Mit deiner Vermutung, was die Männerrolle in Jugendbüchern betrifft, wirst du sicherlich recht haben. Bei Gayle Forman ist es aber irgendwie eher so, dass ihre männlichen Protagonisten eigentlich recht erträglich sind, solange sie nicht selbst erzählen. Wenn die Geschichte allerdings aus ihrer Perspektive gelesen wird, verwandeln sie sich in ganz schöne Jammerlappen, was sogar weniger mit Sentimentalität, als vielmehr mit Selbstmitleid zu tun hat. Allerdings kann ich da auch nur für ihre erste Dilogie sprechen, hab so etwas aber auch schon über ihre beiden neuen Bücher gehört. Deswegen lasse ich es einfach mal mit Willems Sicht ;)

      Ich finde, mit "Weit über das Land" kann man wirklich nicht viel falsch machen, außerdem ist es auch ein dünnes Büchlein, was man an einem Nachmittag durch hat. Bin gespannt, ob es bald seinen Weg zu dir findet :D

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    2. "Weit über das Land" habe ich mir in der Bib geordert. ;-)

      Was "Nur ein Tag" betrifft, ordne ich dies einfach unter "muss man nicht unbedingt gelesen haben" ein.
      Es gibt einfach so unheimlich viele Bücher und natürlich kann nicht jedes einen Wow-Faktor haben. Aber es wäre schon schön, wenn es mitreißen, beschäftigen und im Fall einer Fortsetzung zum Weiterlesen animieren kann.

      OT: ich danke dir für deine Zeilen zu dem Gewinnspiel. <3 Du weißt aber hoffentlich, dass die Sache mit dem Wunschbuch steht ?!

      Liebste Grüße,
      Hibi

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  2. Ich bin mit Allyson auch nicht richtig warm geworden. Ich mochte ganz viele Elemente in dem Buch, das Reisen und das Abnabeln und Studienanfang und so, aber so richtig gepackt hat es mich nicht. Den zweiten Teil hatte ich direkt hinterher gelesen und fand ihn auch eher schlechter als diesen, also kannst du ihn dir wirklich sparen ;)

    Und Ronja Rönne ist mir nicht ganz geheuer nach diesem Anti-Feminismus-Artikel. Bin schon etwas neugierig auf ihr Buch, aber sie kommt mir immer etwas sehr gewollt provokant vor.

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    1. Na dann bin ich ja beruhigt, dass ich einen Wackelkandidaten von der Wunschliste streichen und Willems Perspektive getrost ignorieren kann. Erzählt es eigentlich die selbe Geschichte nochmal, nur aus seinen Augen, oder knüpft es am Ende des ersten Teils an?

      Hm, ich glaube die Frau spaltet die Geister. Habe gerade den besagten Artikel gelesen und musste etwas schmunkeln, weil ihr Verständnis von Feminismus nur sehr wenig mit meiner eigenen Definition zu tun hat. Aber naja, das Buch war in Ordnung, habe dann aber später eine Besprechung dazu in einem Büchermagazin gelesen, der den Roman und auch die Autorin in den Himmel lobt. Darin wird der Text ein bisschen auseinandergenommen und ich muss sagen, dass ich ihn genauso verstanden habe, wie die Rezensentin, jedoch war ich scheinbar wesentlich unbeeindruckter als sie. Wie du schon sagst, sehr "gewollt provokant", und das kann ich auch nicht wirklich leiden. Aber jung und eine hippe Berlinerin (nichts gegen Berlin ;D ) damit liegt sie wahrscheinlich gerade total im Trend.

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    2. Also wenn ich mich richtig erinnere, erzählt es die selbe Geschichte noch mal, aber das Ende ist eindeutiger (oder geht sogar ein Stück weiter? Ich bin nicht mehr sicher... vielleicht verwechsel ich das auch mit der Novelle, die es noch gibt). An sich finde ich so "alles noch mal aus der anderen Perspektive" Bücher total überflüssig, aber hier hat's funktioniert, weil die beiden sich ja lange Zeit nicht begegnen und vollkommen unterschiedliche Erfahrungen machen. Mich hat da eher gestört, dass ich Willem nicht mochte :P

      Ich glaube, was ich an ihr auch nicht mag, ist dass sie mit ihrem Humor oft ins Gemeine geht. Das ist immer gleich so ein von-oben-herab und über-andere-lustig-machen. Man kann auch lustig und kritisch sein ohne anderen auf die Füße zu treten. Mir ist Rebecca Martin da 100x lieber, die ist auch jung und hip und Berlin, aber macht es mit mehr Feingefühl :P

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    3. Ich vermute auch, dass mir Willem nach dem zweiten Teil nicht mehr gefallen würde, so wie es bei Adam in "Where she went" passiert ist.

      Rebecca Martin ist auch wesentlich näher an der Generation dran und lässt ihre Figuren nicht so arrogant wirken. Deswegen habe ich ihr Buch wahrscheinlich auch ein bisschen besser bewertet, aber die Thematik hat mich trotzdem Parallelen ziehen lassen. Wenn ich mal eine Kuttner lesen würde, gäbe es da sicherlich auch noch Ähnlichkeiten, aber Frau Rönne scheint doch etwas überprovokant im Gegensatz zu den anderen beiden.

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    4. Oh, ist Ronja Rönne schon so alt? Habe mich von dem Buch und Artikel abgesehen noch nicht weiter mit ihrer Person beschäftigt. Kuttner ist ja auch etwas älter als z.B. Rebecca Martin, aber ich finde sie schlägt viel mehr in die gleiche Richtung. Und Kuttner kann halt auch bissig sein und hat eckige Charaktere, aber sie tritt damit niemandem auf die Füße. Hast du vor mal eins ihrer Bücher zu lesen oder schreckt dich was ab? Ich find die ja ganz toll :D

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    5. Ich meinte nicht, dass sich Rönne wegen ihres Alters von der Generation entfernt (ich glaube, sie ist erst 24), sondern wegen ihrer Art über Mittzwanziger zu schreiben. Ich hatte während des Hörens ständig das Gefühl, es mit Mittdreißigern zu tun zu haben, die bereits mitten im Leben stehen und schon einige Jahre Berufserfahrung haben.

      Und bei Kuttner bin ich mir nicht ganz so sicher. Habe vor Ewigkeiten mal "Wachstumschmerz" angefangen, aber dann schnell wieder beiseite gelegt, nicht weil ich es schlecht fand, sondern weil es irgendwie nicht gepasst hat. Ich glaube ja, solche Bücher sind nie so richtig was für mich, weil ich mich darin so selten wiedererkenne, oder eben nur teilweise.

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    6. Ah, verstehe. Wobei ich finde, dass das schon wieder ganz ansprechend klingt, weil ich mich oft mit diesern Mit-Zwanziger Drogen-Party-Crowd gar nicht identifizieren kann.

      Kommt dann wohl wirklich auf die Persönlichkeit an. Ich erkenne mich in vielen von Sarah Kuttners Worten und Gedanken total wieder ;) Andererseits sind ihre Figuren meistens das komplette Gegenteil von mir selbst. Aber ich mochte es gerade in Wachstumsschmerz z.B., dass es um eine bestehende Beziehung geht und das so richtig erforscht wird. Nicht die ewigen ersten Male und Schmetterlinge.

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    7. Es ist eher eine Mit-Zwanziger-Drogen-Party, die sich wie eine Mit-Dreißiger-Drogen-Party anfühlt, weil kein Gras geraucht, sondern Kokain genommen wird ;D

      Ja, das stimmt, das ist schon schön, wenn mal nicht von der rosaroten Brille gesprochen wird, sondern von Beziehungen, die schon in der Realität angekommen sind. Aber meist passiert dann drumherum so viel, was mir wieder nicht gefällt, siehe "Nacktschnecken". Aber vielleicht versuche ich es mit Frau Kuttner irgendwann mal.

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    8. Oh Gott, okay, nein danke xD

      Lass dir ruhig Zeit, für mich ist das schon die gleiche Schublade wie Nacktschnecken, nur noch ein Stück erwachsener (Anfang-Dreißiger und so, aber ohne Kokain).

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  3. Huhu!

    Bin gerade über deinen Blog gestolpert und bleibe sehr gerne als Leserin da!
    Mit "Nur ein Tag" bin ich immer am Überlegen, ob es was für mich wäre. Die Rezis sind doch recht unterschiedlich und ich halte eigentlich auch nicht viel davon, wenn man ein und dieselbe Geschichte quasi 2x erzählt. Da kommen doch zu viel Wiederholungen vor... Mal schauen, ich überlege weiterhin;)

    LG, Claudia :)

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    1. Schön, dass du den Weg zu mir gefunden hast :D

      "Nur ein Tag" ist kein MustRead, wie ich finde, aber ich verstehe, dass die vielen verschiedenen Meinungen doch recht neugierig machen. Den zweiten Teil kann man zur Not ja auch weglassen, und erst nach dem Lesen des ersten Teils entscheiden, ob man dazu greifen will, oder nicht. Ein bisschen werden sich die beiden Geschichten jedenfalls unterscheiden, da ein Großteil des ersten Buches aus der Anfangszeit im College besteht, die Allyson und Willem ja nicht gemeinsam verbringen. :)

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