Viele Jahre schlich ich um diesen amerikanischen Klassiker herum, immer überzeugt davon, dass ich ihn irgendwann schon in die Hände nehmen würde. Diesen Herbst sollte es nun endlich soweit sein, denn gemeinsam mit meinem kleinen Buchclub erlebte ich die Sommer Alabamas der 30er Jahre durch die Augen der 8-Jährigen Scout: Alltäglicher Rassismus und Ungleichheit sind damals Normalität und als Atticus, Scouts Vater, den schwarzen Tom Robinson vor Gericht veteidigen soll, stellt die bevorstehende Verhandlung das Leben und die Vorstellungen des Mädchens völlig auf den Kopf.
Scout war eine sehr sympathische und liebenswerte Persönlichkeit, die sich durch ihre wahren Worte immer wieder in das Herz des Lesers schleichen konnte. Zusammen mit ihrem älteren Bruder Jem und ihrem stets gerechten Vater Atticus bildete sie den Kern der Geschichte, was mich anfangs etwas verwirrte. Da ich vor dem Beginn des Buches wusste, wovon der Roman handeln würde, erwartete ich bezüglich der Gerichtsverhandlung einen viel größeren Anteil. Schlussendlich musste ich aber einsehen, dass Wer die Nachtigall stört... vor allem auch eine Coming of age-Geschichte ist, in der wir die Entwicklung der beiden Geschwister sehr genau beobachten können, die natürlich vom Fall Tom Robinson stark beeinflusst, aber ebenso vom Schulalltag, schrulligen Nachbarn und grusligen Häusern geprägt wurde.
Harper Lee hat es geschafft, uns die grausame Ungerechtigkeit des Rassismus Amerikas der 30er Jahre näher zu bringen und gleichzeitig ein zeitloses Werk zu erschaffen. Manche Dinge bleiben leider so, wie sie bereits vor fast 100 Jahren waren und so ist es wohl kein Zufall, dass die Geschichte rund um Scout sehr viele Parallelen zu unserer gegenwärtigen politischen Lage aufweist. Fast erschreckend sind diese Ähnlichkeiten, sodass man sich während des Lesens nicht nur einmal fragt, ob wir nach all der Zeit denn nichts dazugelernt haben.
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