Ich bin wütend. So dermaßen wütend, dass ich mir zweimal überlegt habe, ob ich diesen Post schreibe oder nicht, denn ich weiß nicht einmal genau, auf wen ich überhaupt wütend bin. Als ich vor ein paar Monaten erfuhr, dass das Carlsen-Imprint Königskinder sein letztes Programm herausbringen würde, musste ich erst einmal schlucken. Im Inneren kannte ich den Grund – das Verlagswesen ist nunmal auch nur ein Wirtschaftszweig und damit geht es immer um Geld – aber verzweifelt hoffte ich auf andere Begründungen, vielleicht ein bereits zu Beginn abgesprochenes Ende nach so und so viel Programmen, jedenfalls irgdenetwas, was mich nicht so tief treffen würde.
Aber nein – wahrscheinlich werdet ihr es auch bereits wissen – es ging natürlich doch um Geld und Verkaufszahlen (nachzulesen bspw. im Börsenblatt). Das bedeutet also, dass ein so innovatives Imprint, wie Königskinder eines war, sich auf dem deutschen Buchmarkt nicht halten kann. Trotz Auszeichnungen, positiver Rezensionen und Besprechungen im Feuilleton konnte der Verlag nicht genug Ausgaben verkaufen, um rentabel zu sein. Und selbst ein Verlag wie Carlsen, der sicherlich schon allein mit Harry Potter sehr viel einnimmt, kann es sich nicht leisten, die Königskinder mitzuziehen. Woran aber liegt das?
Die Frage ist wohl nicht ganz so leicht zu beantworten. Einerseits könnten wir Vermutungen anstellen, dass einige Buchhandlungen sich wegen der besonderen Inhalte nicht getraut haben, die Königskinder einzukaufen und so die Kunden gar nicht die Möglichkeit hatten, eines zu erwischen. Ich selbst arbeite nebenbei auch in einer großen Buchhandlung und muss leider zugeben, dass dort nicht alle Titel aller Programme vorrätig waren und wir von manchen auch nur ein Exemplar da hatten. Vielleicht aber liegt es auch daran, dass es dort draußen nur wenige mutige Leser*innen gibt, die sich an etwas Neuem ausprobieren wollen (das möchte ich persönlich aber nicht glauben). Die dritte Vermutung wäre eine, die ich aus eigener Erfahrung eher in Erwägung ziehe und die Tilman Spreckelsen in seinem Artikel Harte Zeiten fürs Kinderbuch in der FAZ anspricht:
Die Frage ist wohl nicht ganz so leicht zu beantworten. Einerseits könnten wir Vermutungen anstellen, dass einige Buchhandlungen sich wegen der besonderen Inhalte nicht getraut haben, die Königskinder einzukaufen und so die Kunden gar nicht die Möglichkeit hatten, eines zu erwischen. Ich selbst arbeite nebenbei auch in einer großen Buchhandlung und muss leider zugeben, dass dort nicht alle Titel aller Programme vorrätig waren und wir von manchen auch nur ein Exemplar da hatten. Vielleicht aber liegt es auch daran, dass es dort draußen nur wenige mutige Leser*innen gibt, die sich an etwas Neuem ausprobieren wollen (das möchte ich persönlich aber nicht glauben). Die dritte Vermutung wäre eine, die ich aus eigener Erfahrung eher in Erwägung ziehe und die Tilman Spreckelsen in seinem Artikel Harte Zeiten fürs Kinderbuch in der FAZ anspricht:
"Wenn der Druck der so vielen lieblos zusammengeschusterten,
quietschbunten und risikolosen Bücher in diesem Marktsegment so groß
ist, dass er, wie es scheint, über seine schiere Präsenz ein solches
Projekt [hier sind die Königskinder gemeint] buchstäblich aushungern kann, dann besteht wenig Anreiz, künftig
ein noch so ambitioniertes und inhaltlich begründetes Programm für
junge Leser zu starten. Achtzig Prozent der Bücher aus diesem Bereich
werden von Erwachsenen für Kinder und Jugendliche gekauft, heißt es.
Vielleicht sähe der Markt anders aus, wenn man den Lesenachwuchs selbst
entscheiden ließe."
Ja, auch ich glaube, dass es oftmals an den Eltern, Großeltern, Bekannten, Verwandten und Sonstewas liegt, die glauben, ihre Kinder schützen zu müssen, oder das Gefühl haben, jemanden auf den Schlips zu treten, wenn sie problematische Bücher verschenken. Wie oft musste ich bei Empfehlungen mitbekommen, wie sich das Gesicht der Person mir gegenüber verzog, wenn Worte wie Tod, Scheidung oder Krankheit fielen. Oftmals folgte ein entschuldigendes Lächeln und die Bitte um etwas Fröhliches. Gute Bücher wurden wieder weggelgt, leichte Kost ihnen vorgezogen. Und jetzt, da ich um das Ende der Königskinder weiß, bin ich beinahe auch wütend auf mich, die ich nicht jedem ein Königskind an den Kopf geworfen habe, der den Laden betrat.
Aber auch wenn wir dieses Jahr einen wunderbaren Teil der Bücherwelt verlieren, so ist noch nicht alle Hoffnung verloren. Denn natürlich finden sich auch bei vielen anderen Verlagen immer wieder kleine Perlen, nach denen man vielleicht etwas tiefer tauchen muss als nach den hochgelobten Bestsellern, für die sich der Weg aber lohnt. So kann ich nur an alle da draußen appellieren: lest auch mal unbequeme, besondere Bücher. Verschenkt sie auch! Ja, auch an Kinder und Jugendliche, denn die halten viel mehr aus, als ihr glaubt. Und an alle, die es bereits genau so machen: Gut, dass es euch gibt. Weiter so!
Ach das ist wirklich schade. Solche Kundengeschichten habe ich leider schon öfter gehört, scheint ja wirklich Gang und gebe zu sein. Ich kann mir immer gar nicht vorstellen, dass Menschen, die Bücher kaufen und verschenken „alle“ so ignorant sein können, aber die Erfahrungsberichte sprechen dagegen, Bücher „für Jungs/Mädchen“ ist da ja auch immer ein ganz heikles Thema. Aber ich gelobe hiermit hoch und heilig nur wertvolle und clevere Bücher zu verschenken, wenn die Kinder in meiner Umgebung erst mal alt genug zum Lesen sind!
AntwortenLöschenIch will hiermit auch keinesfalls sagen, dass alle so sind, da würde ich denen, die sich bei der Auswahl wirklich Mühe geben, Unrecht tun. Aber diese Art von Käufer*innen sind (meiner Erfahrung nach) leider wesentlich seltener.
LöschenDiese Jungs-Mädchen-Sache geht mir auch ganz gewaltig auf die Nerven, denn man sieht auch schon beim Design vieler Bücher, an welche Zielgruppe sie gerichtet sind und das ist total schade, denn das bestimmt das Kaufverhalten der Kund*innen maßgeblich. Rosarot für Mädchen, dunkelblau für Jungs; es klingt total lächerlich, aber genauso sieht es in der Kinderbuchabteilung aus (und in manchen Fällen zieht es sich auch mit ins Jugendbuch). Aber solange das auch in den Köpfen der Menschen so vertreten bleibt, werden Verlage mit dieser Masche weiterhin Geld verdienen. Und es gibt leider wirklich viele, die so engstirnig denken. Wenn ich nur mal überlege, wie oft ich auf ein Kindebuchgeschenk eine rote Schleife geklebt habe und mir dann von hinten zugerufen wurde: "Ähm, junge Frau, das Geschenk ist aber für einen Jungen. Haben sie nicht auch eine blaue Schleife?"... argh!
Ja, die Ausnahmen gibt es ja zum Glück, aber ich finde es schon erschreckend, was für Meinungen sich in der Mehrheit so finden lassen. Ich kann immer gar nicht glauben, dass ein Großteil der Welt so ist, weil ich viel Zeit in meiner Blase voller gescheiter, offener Menschen verbringe.
LöschenMich ärgert es auch immer so maßlos, dass Verlage da so mitziehen und dass es im Endeffekt doch immer nur um Umsatz und Geld geht. Ich hänge da immer noch an meiner optimistischen Wunschvorstellung, dass gerade Menschen, die im Buch-Bereich arbeiten die Welt verbessern möchten... aber die müssen ja auch was essen ;( vielleicht sollte einfach generell farbloses Schwarz-Weiß Design für Illustrationen und Geschenkpapier eingeführt werden ;) (aber dann kriegen die Mädchen sicher die weißen Schleifen und die Jungen die schwarzen xD)
Ein wirklich interessanter, treffender Beitrag.
AntwortenLöschenZwischen Wut und Hilflosigkeit war bei mir alles dabei. Ich habe mit einer tollen kleinen Gruppen im letzten Jahr die "Das Jahr der Königskinder" Aktion veranstaltet, in der wir diese Einzigartigkeit des Königskinder Imprints hervorheben wollten.
Es ist, selbst für mich die in der Branche arbeitet, teilweise unverständlich. Wie kann es sein, dass Mut zur Kreativität und Innovation auch noch bestraft wird. Das begann ja schon damit, dass man aktuelle KöKis so gut wie nie im Buchladen sah. Da muss man sich die Frage stellen, wieso die Vertreter Buchhändler nicht "motivieren" können/wollen mehr für besondere Stoffe im Jugendbuch zu brennen.
Für mich als Leser waren es tatsächlich die Bücher aus dem Königskinder Verlag, die mich längerfristig beschäftigt und berührt haben.
Aber die Masse mag den Einheitsbrei. Und die Verlage sind, wie du auch sagst, schlussendlich auch ein Wirtschaftsunternehmen und die Konkurrenz extrem groß. Das Carlsen dieses Imprints mit dem hohen Qualitätsanspruch solange halten konnte, ist schon auch eine Leistung.
Es gibt viele Gründe und keine davon machen es weniger sinnig, wieso es soweit gekommen ist.
Liebste Grüße,
Sandy
Eure Aktion habe ich tatsächlich verfolgt und ab und an auch mitgevotet ;) und ehrlich gesagt, war ich dadurch auch immer positiv eingestellt, was die Überlebensdauer der Königskinder betraf. Denn es gab ja daneben auch noch weitere Projekte auf diversen Blogs und immer wieder positive Besprechungen, die mich daran glauben ließen, dass die Verkaufszahlen schon stimmen würden.
LöschenBei uns im Haus, also in der Buchhandlung, ist es leider so, dass kaum mehr Vertreter*innen kommen (was wahrscheinlich am Konzern Thalia liegt, zu dem wir gehören), denn viele Titel werden zentral eingekauft, sodass die Buchhändler*innen kaum mehr Einfluss darauf haben, was in ihren Regalen steht. Wie gesagt, hin und wieder zählten sich auch Königskinder zu den selbsteingekauften Titeln, aber wesentlich weniger als ich mir gewünscht hätte und in wesentlich kleinerer Zahl als Bücher anderer Verlage.
Aber wie du so schön sagst, die Masse mag eben das Altbekannte, das Bequeme, auch wenn es mehr als schade ist.