"Die Gabe" und die Herrschaft der Frauen

Cherry

Die Zeit der Männerherrschaft ist vorbei, denn mithilfe der Gabe, Elektrizität mit dem eigenen Körper zu erzeugen, beginnen die Frauen unserer Welt zu rebellieren. Die Unterdrückung, Diskrimierung und Ausnutzung des weiblichen Geschlechts scheint bald der Vergangenheit anzugehören, doch ist eine von Frauen regierte Welt wirklich eine bessere? Die Autorin beantwortet diese Frage sehr eindeutig und erschafft mit ihrem Weltenentwurf ein spannendes Gedankenspiel. Mehr als das hält Die Gabe jedoch nicht bereit.

Ich habe sehr viel Potential in Frau Aldermans Idee gesehen und kann auch nicht leugnen, dass sie mich gut unterhalten hat. Mit ihrem utopischen/dystopischen (das kommt wohl ganz auf den Blickwinkel an) Roman wirft sie die These, dass Frauen wesentlich klügere und moralisch vertretbare Herrscherinnnen wären, komplett um. Die Leser*innen werden mit Religionsmissbrauch, Brutalität, Sexismus und Korruption konfrontiert, die das Verhältnis zwischen Mann und Frau vollständig umkehren. Die Geschichte macht deutlich, dass ein Ungleichgewicht bei der Machtverteilung immer auch zur Diskriminierung der Minderheit führt, unabhängig von ihrem Geschlecht.  

Das mag sein und solch ein Thema kann eben auch nur mithilfe von Vermutungen diskutiert werden, trotzdem schien mir das ganze Konzept nicht ganz durchdacht und es fehlte ihm, meiner Meinung nach, an Tiefe. Die handelnden Protagonist*innen, aus deren Perspektiven wir den Verlauf der Geschehnisse beobachten, agieren unreflektiert. Besonders die weiblichen Charaktere entwickeln sich zu rachsüchtigen Individuen ohne moralisches Verständnis. Frau Alderman macht es sich sehr einfach, indem sie unsere Welt einmal umdreht, Frauen zu Männer und Männer zu Frauen macht. Was sie dabei ganz außer Acht lässt, ist aber unsere Geschichte. Die Briefe, welche den Roman einrahmen, relativieren das zwar wieder ein wenig, unterstützen aber meinen Eindruck, dass es sich eben nur um einen unterhaltsamen Weltentwurf der Zukunft und nicht um tiefgründige Literatur handelt. 


Lange Rezi, kurzer Sinn...

+
Unterhaltsames Gedankenspiel, welches sich schnell lesen lässt und sicherlich auch interessante Ideen beinhaltet.

-
Sehr einfache Sprache und unreflektierte Figuren, die der Umsetzung der vielversprechenden Idee nicht guttaten.



7 Kommentare:

  1. Als ich den Klappentext gelesen habe fand ich die Idee auch toll, und habe deshalb mal geschaut wie die Rezensionen so ausfallen. Ich finde das klingt bei dir jetzt nicht ganz so positiv. Ich werde mal noch etwas abwarten und sehen wie sich die Meinung entwickelt :)!

    LG Piglet <3

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    1. Wenn man ein unterhaltsames Buch mit einer guten Grundidee sucht, dann ist der Roman wahrscheinlich genau das Richtige, aber ich hatte mir doch etwas Feineres vorgestellt, weniger Action. Trotzdem ist der Roman keinesfalls schlecht ;)

      Falls du es noch lesen solltest, wäre ich wirklich auf deine Meinung gespannt.

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  2. Hm, das finde ich nun doch etwas schade, das Buch ist erst gestern bei mir eingezogen und ich habe eigentlich große Hoffnungen in die Geschichte gesetzt. Aber ich werde mich bald selbst davon überzeugen können, ob es mir auch an Tiefe fehlt. Das Gedankenspiel finde ich jedenfalls unheimlich spannend.

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    1. Am besten vergisst du meine Besprechung ganz schnell wieder und versuchst unvoreingenommen selbst einzutauchen :) Es hat ja nicht umsonst einen Preis gewonnen und wurde bisher so gut besprochen, deswegen kommt es sicher auch immer drauf an, welche Erwartungen man selbst an das Buch stellt. Vielleicht entdeckst du ja auch Feinheiten für die ich blind war. Auf jeden Fall freue ich mich schon auf deine Besprechung dazu ;)

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  3. Ganz perfekt fand ich das Buch auch nicht. Es wäre vielleicht wirklich gut gewesen, wenn eine der weiblichen Perspektive ein wenig sensibler gewesen wäre, also jemand, der etwas ändern möchte ohne anderen zu schaden.
    An sich fand ich es eigentlich gut zu sehen, dass es nicht viel mit dem Geschlecht zu tun hat, sondern mit Macht an sich und dass diese jeden korrupt machen kann, aber du hast schon Recht, die weibliche Historie wird dabei zu sehr außer Acht gelassen. Ich habe übrigens gehört, dass Red Clocks da wohl einiges besser machen soll. Vielleicht probierst du es ja damit auch noch mal? :)

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    1. Genau. Ich hätte auch nichts auszusetzen gehabt, wenn es im Buch um eine Welt gegangen wäre, in der schon immer Frauen an der Macht gewesen wären. Dann würde ich nämlich auch sagen, dass es sich wahrscheinlich um keine Bessere als die jetzige handeln würde, aber so wie sie es gemacht hat, kam es mir dann doch ein wenig zu extrem vor. Aber wer weiß, vielleicht wollte die Autorin auch genau das, denn so hat sie ja erreicht, dass ihre Leser*innen drüber sprechen ;D

      "Red Clocks" ist mir nun in der Tat schon häufiger über den Weg gelaufen, ohne dass ich wirklich wusste, worum es geht. Nun hast du mich neugierig gemacht und ich schau es mir mal genauer an. Danke für den Tipp :)

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    2. Ich denke schon, dass sie das bewusst so entschieden hat. Ich glaube, es wäre auch eine seltsame Botschaft, wenn das ganze Buch ausdrückt "wenn Frauen an der Macht wären, wäre alles besser", genau das will sie ja nicht aussagen und mit Gleichberechtigung hätte das wohl auch nichts mehr zu tun. Aber so ist es definitiv eine Möglichkeit Leser.innen zu Diskussionen und Überlegungen anzuregen :)

      Ich will es unbedingt noch lesen. Habe aus vertrauenswürdigen Quellen schon sehr Gutes gehört, ist wohl etwas persönlicher/emotionaler als The Power.

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