Takis Würgers "Stella" und "Der Club"

Cherry

Dieses Buch scheint in aller Munde zu sein. Würgers Stella hat in den Augen des deutschen Feuilletons die altbekannte Debatte "Was darf Literatur?" wieder aufkeimen lassen. Meiner Ansicht nach völlig unverständlich, handelt es sich doch um ein Buch, das weder verunglimpft, noch verschweigt. Wir folgen darin dem jungen Schweizer Fritz Anfang der 40er Jahre, der sich auf die Suche nach der Wahrheit begibt. In Gerüchten ist ihm zu Ohren gekommen, dass in Deutschland Juden in LKWs gepfercht und danach abtransportiert werden. Wohin, das weiß keiner so genau. Deswegen reist er selbst nach Berlin, wo er die junge Christin kennenlernt und sich kurz darauf in sie verliebt. Doch Christin ist nicht die, für die sie sich ausgibt.  

Ich muss gestehen, dass ich anfangs gar keine Ahnung hatte, dass die Geschichte teilweise auf wahren Begebenheiten beruht. Hinter Christin alias Stella verbirgt sich die Jüdin Stella Goldschlag, die in Zeiten des dritten Reichs andere Juden köderte und an die Gestapo verriet. Harter Tobak, bis dahin aber noch nicht verwerflich. Das, was den meisten Kritiker*innen wahrscheinlich ein Dorn im Auge ist, ist die Liebesgeschichte, die Würger drumherum spinnt, denn dabei handelt es sich um reine Fiktion. Fritz, von Stella so eingenommen, findet sich bald in der unausweichlichen Situation wieder, dass er seine Ahnungen nicht mehr ignorieren kann und der Wahrheit ins Auge sehen muss. Die Frau, die er liebt, ist eine Verräterin, die fast täglich Menschen in den Tod schickt.   

Das Hören von Stella hat mich fasziniert und auch ein wenig zerrüttet zurückgelassen. Einen sanftmütigen Protagonisten zu erschaffen, der die Wahrheit hinter den Schrecken des deutschen Antisemitismus mit eigenen Augen sieht, war einerseits ein cleverer Schachzug. Andererseits merkt man als Leser*in/Hörer*in schnell, dass Fritz nur ein Mittel zum Zweck ist und an eigener Geschichte kaum beizutragen hat. Trotzdem fand ich diese Perspektive gut gewählt, da sie uns einen, wenn auch fiktiven, Einblick ermöglicht, den ich so in Büchern zum Thema noch nie gelesen habe. Da mir vor allem die Lesung von Robert Stadlober und Valery Tscheplanowa gefallen hat und ich nicht sagen kann, ob mir das Selbstlesen auch so zugesagt hätte, spreche ich hier in erster Linie eine Empfehlung für das Hörbuch aus. 





Hans lebt seit dem Tod seiner Eltern in einem Heim, lernt viel und bleibt ein introvertierter, einsamer Junge. Als kurz vor seinem Abschluss seine verschrobene Tante Alex ihn bittet, nach Cambridge zu kommen und herauszufinden, was sich in dem berühmten Pitt Club der Universität abspielt, ist er zuerst skeptisch, nimmt dann aber an. Er wird Student, boxt für seine Uni und nimmt bald auch an den ersten Partys des Pitt Clubs teil. Die Clubmitglieder werden seine Freunde. Könnten sie wirklich gleichzeitig auch Verbrecher sein?

Ein wenig ähneln sich Stella und Der Club in ihren Grundzügen schon, auch wenn sie thematisch sehr weit auseinander liegen. Ein junger Mann wird aus seiner gewohnten Umgebung gerissen und lernt eine ihm unbekannte Welt kennen. In diesem Fall ein sexistischer, elitärer Universitätsclub voller Männer, die sich für etwas Besseres halten. Das fällt auch dem Protagonisten nach und nach auf, sodass er auf die Bitte seiner Tante eingeht und die Geheimnisse hinter der Scheinheiligkeit des Clubs aufzuspüren versucht. 

Besonders gefallen haben mir die verschiedenen Perspektiven des Romans, die es zulassen, dass man sich in den Köpfen von Opfer, Täter und Beobachter wiederfindet. Sie lassen so auch eine ganze Palette an Gefühlen zu und machen das Buch so mitreißend, wie es schlussendlich für mich war. Es ist kurzweilig, bleibt eher nüchtern und lässt sich trotz ernster Themen sehr schnell weglesen. Das bedeutet aber nicht, dass es nicht trotzdem einschlägt, wie eine Bombe. Auch wenn mir Hans als Protagonist ebenso blass erschien wie Fritz in Stella, hat mir der Roman im Gesamtpaket, aber vor allem sein Ende, sehr gut  gefallen.


4 Kommentare:

  1. Ich habe die Debatte um Stella bisher wirklich nur ganz am Rande mitbekommen, aber ich dachte dabei geht es immer mehr darum "wer darf welche Geschichte erzählen" und nicht um eine erfundene Liebesgeschichte. Also, dass kritisiert wird, dass er als weißer, nicht-jüdischer (?) Mann diese Geschichte erzählt anstatt tatsächlich Betroffenen das Wort zu überlassen (ob diese das Wort ergreifen wollen, ist natürlich wieder ein ganz anderer Punkt).

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    1. Aber im Grunde nimmt er in dem Buch ja keine jüdische Position ein, sondern erzählt es aus der Sicht des ("neutralen") Schweizers. Wir befinden uns also im Kopf des außenstehenden Beobachters.

      Ich hatte gelesen, dass sich Kritiker*innen eher über den Stil echauffierten, weil der ja so unterhaltsam und locker daherkommt. Aber wahrscheinlich gibt es für sie nicht nur einen Punkt, worüber man sich aufregen kann.

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    2. An das Argument habe ich auch gedacht und finde es nicht abwegig. Ich habe aber das Gefühl, das nicht richtig beurteilen zu können ohne das Buch gelesen zu haben (und mich vielleicht auch mal intensiver mit der Debatte zu beschäftigen).

      Haha, so oder so scheint das Buch zu polarisieren, aus welchen Gründen auch immer. Hängt wahrscheinlich davon ab in welcher Filterblase wir gerade so festhängen ;)

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  2. Huhu du,
    danke für deine Meinung. Ich möchte die beiden Bücher auch noch lesen und bin super auf die Geschichten gespannt!
    Liebe Grüße, Petra

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