Lize Spits neuer Geniestreich:
"Ich bin nicht da"

Cherry
(Lize Spit bei S.Fischer/ übersetzt von Helga von Beuningen / 9783103971248)

Was passiert mit der Liebe, wenn der eine Teil der Beziehung sich stark verändert, oder ganz zu verschwinden scheint? Wer sind wir noch, wenn der Mensch, der uns am meisten liebt, nicht mehr er selbst ist? Was macht uns dann noch aus? Bleiben wir die Person, die wir waren? Diese Fragen muss sich Leo stellen, als ihr liebster Simon von jetzt auf gleich seinen Job kündigt, sich und seine Fähigkeiten mehr und mehr überschätzt und in Freunden plötzlich Feinde sieht. Sie spürt, wie er ihr immer weiter zu entgleiten droht, bis sie sich selbst eingestehen muss, dass dieser Mensch nicht mehr der Simon ist, in den sie sich einst verliebt hat und er dringend Hilfe braucht. 

Lize Spit hat es wieder geschafft. Kaum hatte ich ihren neuen Roman Ich bin nicht da begonnen, schon konnte ich ihn nicht mehr aus der Hand legen. Wie in einem Psychothriller hielten mich die Kapitel in Atem, gleichzeitig brachen sie mir das Herz. Die Autorin spielt mit den Gefühlen ihrer Leserschaft; sie lässt uns zittern, hoffen, verzweifelt die Hände vor den Augen schließen, nur um dann doch einen kleinen Spalt zwischen den Fingern zu lassen, weil unsere Neugier obsiegt. Auch wenn ich nicht jede ihrer Entscheidungen nachvollziehen konnte, sympathisierte ich stark mit Leo. Sie ist eine verkopfte Protagonistin, die zum Katastrophisieren neigt und mit ihren verzweifelten Versuchen, ihre Liebe zu retten, vieles nur noch schlimmer macht. Genau deswegen bildet sie aber auch ein Paradebeispiel für die menschliche Hilflosigkeit bei der Konfrontation mit psychischen Störungen. Denn ja – für alle, die es bereits geahnt haben – im Mittelpunkt des Buches steht Simons bipolare Störung und deren Schrecken.

Ich bin nicht da hat mich wirklich aufgewühlt zurückgelassen, dennoch habe ich das Gefühl, dass das Buch für die breite Masse zugänglicher ist als Und es schmilzt. Das liegt einerseits an dem wachsenden Interesse und Verständnis unserer Gesellschaft für psychische Störungen, aber auch an den Entscheidungen der Autorin, die sie für ihre Protagonist*innen getroffen hat. Wirkte ihr Debüt noch vollkommen hoffnungslos auf mich, so lässt sie hier doch jedenfalls einen Silberstreif am Horizont, den ich in Anbetracht des Themas auch für sehr wertvoll halte. Eine Triggerwarnung möchte ich trotzdem aussprechen, da in der Mitte des Buches etwas passiert, was auch für mich kaum aushaltbar war. Ich möchte es hier gekürzt „explizite Beschreibung von blutiger Gewalt“ nennen, ohne zu viel zu verraten.


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