"Das Bildnis des Dorian Gray", der Untergang der Reinheit

Cherry


Mein Wissen über Das Bildnis des Dorian Gray begrenzte sich vorm Lesen des Buches auf die einfache Idee „Mann lässt ein Bild von sich malen, welches ab dann für ihn altert“. Ich hatte Teile des 2009 erschienenen Films gesehen, mochte Grays Auftreten in Die Liga der außergewöhnlichen Gentlemen (lang ist’s her) und wusste natürlich, dass Oscar Wilde ihn erschaffen hatte. Lustigerweise dachte ich, mit diesem „Vorwissen“ nicht mehr vom Roman überrascht werden zu können. Womit ich natürlich vollkommen falsch lag. 

Das Bildnis des Dorian Gray handelt nicht vom ewigen Leben; es handelt von ewiger Jugend. Von der Unberührtheit, der Schönheit eines heranwachsenden Menschen, welcher noch keine Sünde begangen hat. Gleichermaßen werden wir Zeug*innen puren Hedonismus‘ und mangelnder Selbstreflektion. Gray ist dabei Opfer und Täter zugleich, verliert sich in Manipulationen und einem wachsenden Narzissmus, bei dem ich mir bis zuletzt nicht sicher war, ob er fremd- oder selbstgesteuert wurde. 

Besonders gefallen haben mir dabei die ersten Kapitel, die zwar Grays Untergang bedeuten sollten, aber mit so viel (zugegeben fragwürdiger) Weisheit gefüllt waren, dass auch ich mich einlullen ließ. Die Seiten trieften nur so vor homoerotischen Andeutungen, dass ich gar nicht glauben konnte, ein Buch des späten 19. Jahrhunderts zu lesen. Hinzu kam, dass mich auch die weitere Handlung und die zunehmende Unmenschlichkeit des Protagonisten überraschten; eine Abwärtsspirale mit schonungslosem Ende. 

Ein bisschen Kritik muss ich dennoch üben. Einige der späteren Kapitel waren leider nicht mehr ganz so einnehmend, manche sogar zäh, fast langweilig. Außerdem musste ich mir oftmals in Erinnerung rufen, dass wir nicht Wildes eigene Überzeugungen, sondern die einer fiktiven Person (hier spreche ich nicht von Gray, sondern seinem „Mentor“) zu lesen bekamen. Sonst hätte ich das Buch, aufgrund seiner frauenfeindlichen Äußerungen, nämlich schnell wieder zuklappen müssen. 

Auf dem Bild seht ihr die neue, illustrierte Ausgabe von Reclam. Zuerst konnte ich nicht ganz sagen, ob mir die kühlen, steif wirkenden Bilder von Anna und Elena Balbusso gefielen. Je weiter ich jedoch in der Geschichte voranschritt, desto öfter bemerkte ich den weiten Interpretationsspielraum ihrer Illustrationen und den klaren Einsatz bestimmter Farben und Formen. Insbesondere das Cover hat es mir angetan. Übersetzerin ist übrigens Ingrid Rein, die, neben Oscar Wilde, sehr wahrscheinlich die Hauptverantwortliche dafür ist, warum mir das Buch so gefiel. 

 

Und um bei meiner alten Klassiker-Manier zu bleiben, gibt es noch ein klares:

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